Wie findet ein Röntgengerät Glassplitter in Glasbehältern?
Glassplitter in Lebensmitteln, Medikamenten oder Kosmetika sind eine Gefahr für die Gesundheit. Darum ist es für jeden Hersteller dieser Produkte enorm wichtig, solche Verunreinigungen zu finden und zu entfernen, bevor ein Produkt in den Handel gelangt.
Hochwertige Verpackungen aus Glas sind hygienischer und auch wirkungsvoller als viele Kunststoffverpackungen, doch gerade sie bergen das Risiko, dass etwa beim Verschlussvorgang kleine Splitter ins Produkt gelangen. Diese Splitter sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen und auch moderne Technik muss hier einiges leisten.
CASSEL XRAY SHARK® Röntgengeräte mit sideshoot sind speziell für das Auffinden dieser Verunreinigungen entwickelt worden. Sie erkennen Glassplitter im Produkt selbst dann, wenn die Verpackung ebenfalls aus Glas besteht oder das einzelne Produkt zusätzlich in einem Pappkarton verpackt ist.
XRAY SHARK XS GIG: Sideshoot X-ray-Scanner, der auch Glas in Glas findet.
Wie findet ein Röntgengerät Verunreinigungen?
Röntgengeräte erkennen unterschiedliche Materialien an ihrer unterschiedlichen Dichte, welche eine verschieden starke Abschwächung (Absorption) des Röntgenstrahles bewirkt. Eine hohe Abschwächung führt zu einem dunklen Grauwert im Röntgenbild, eine geringe Abschwächung zu einem hellen Grauwert. Eine Glasflasche hat eine höhere Dichte als die darin abgefüllte Flüssigkeit, was sich als dunklerer Grauwert im Röntgenbild zeigt: Man kann die Kontur der Flasche klar erkennen. Befindet sich ein Fremdkörper in der Flüssigkeit, so wird dieser als „dunkler Fleck“ innerhalb der Flaschenkontur im Röntgenbild sichtbar, da er nicht Teil der Flaschenkontur ist. Am nun durch den Fremdkörper erzeugten, lokalen Kontrast (Helligkeitsunterschied) zwischen Fremdkörper und Produkt erkennt die Software, dass hier ein Fremdkörper im Produkt ist, der nicht dort sein sollte.
Ein Beispiel wären Gurken in einem Glas.
Verpackung aus Glas: Hohe Dichte bzw. Absorption = dunkelgrau
Gurkenwasser: Niedrige Dichte bzw. Absorption = hellgrau bis weiß
Gurken: Mittlere Dichte bzw. Absorption = hellgrau
Fremdkörper: Mittlere bis hohe Dichte = mittelgrau und nicht Teil der Verpackung
Verschiedene Grauschattierungen im Röntgenbild
Vereinfacht kann man sagen, dass die Röntgenbilder Dichtekontraste zeigen, da die Röntgenabsorptionsstärke für verschiedene Materialien unterschiedlich ist. Die Absorption des Materials wird dann durch verschiedene Graustufen dargestellt. Die Graustufenpalette geht von Schwarz bis Weiß und ist in 255 Stufen (Graustufenwerte) unterteilt. Weiß entspricht dabei einer geringen Absorption und schwarz einer hohen Absorption des Röntgenstrahles.
Die Graustufenwerte werden z.B. zum Einrichten von Schwellenwerten genutzt um Bereiche im Röntgenbild zu unterscheiden. Die Dichte/Absorption eines Materials bestimmt den Grad der Schwärzung.
Die Stärke der Absorption hängt aber auch von der Dicke eines Materials ab. Geht der Röntgenstrahl auf seinem Weg zum Detektor durch viel Material, wird er stark abgeschwächt. Geht der Röntgenstrahl auf seinem Weg zum Detektor durch wenig Material, wird er wenig abgeschwächt. Die Dicke und die Dichte eines Materials spielen also eine Rolle.
Wie entstehen die verschiedene Grauschattierungen im Röntgenbild
Beispiel: Die Objekte a, b, c in der Abbildung rechts sind verschiedene Fremdkörper in einem Produkt.
(a) hat eine geringe Dichte und einen mittleren Durchmesser.
(b) hat eine hohe Dichte und einen großen Durchmesser.
(c) hat eine hohe Dichte (genauso wie b) und einen kleinen Durchmesser.
Das Röntgenbild ist für die drei Objekte recht unterschiedlich.
Für b zeigt es die stärkste Schwärzung (großer Durchmesser und hohe Dichte). Objekt a zeigt eine mittlere Schwärzung (geringe Dichte, aber auch ein mittlerer Durchmesser). Die geringste Schwärzung zeigt c (hohe Dichte, dafür aber ein kleiner Durchmesser).
Einfluss der Lage eines Objekts auf die Grauschattierung
Die Grafik rechts verdeutlicht die Bedeutung der Lage eines Objektes im Röntgengerät. Im Glasbehälter befindet sich ein Kunststoffplättchen.
Links: Das Plättchen liegt quer zum Röntgenstrahl. Der Durchmesser in Strahlrichtung ist gering, es wird wenig Strahlung absorbiert. Die Folge ist eine geringe Schwärzung im Röntgenbild, wenig Kontrast zwischen Fremdkörper und Produkt. Das Plättchen im Röntgenbild links unten ist kaum zu erkennen.
Rechts: Der gleiche Fremdkörper, nun längs zum Röntgenstrahl. Großer Durchmesser in Strahlrichtung, es wird viel Strahlung absorbiert. Die Folge: Eine starke Schwärzung im Röntgenbild und viel Kontrast zwischen Fremdkörper und Produkt. Das Plättchen ist im Röntgenbild rechts unten gut zu erkennen.
Die Weglänge des Röntgenstrahls durch ein Material bestimmt also ebenfalls maßgeblich den Grad der Schwärzung. Eine ungünstige Orientierung des Fremdkörpers kann also unter Umständen dazu führen, dass dieser nicht erkannt wird.
Eine ungünstige Orientierung eines Fremdkörpers muss jedoch nicht zwangsläufig zu einer schlechten Detektierbarkeit des Fremdkörpers führen.
Nutzt man zusätzlich zum Röntgenstrahl, der den Fremdkörper in einer ungünstigen Orientierung abbildet (kurze Weglänge), einen zweiten Röntgenstrahl, welcher um 90° zum ersten gedreht ist, so sieht dieser zweite Strahl den Fremdkörper in einer anderen Orientierung (lange Weglänge).
Dieser zweite Strahl erzeugt nun eine starke Schwärzung für diesen Fremdkörper in seinem Röntgenbild. Der Fremdkörper kann also nun detektiert werden.
Die Dichte und die Dicke von Glasbehältern
Glasbehälter sind in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung: Zum einen hat Glas eine hohe Dichte, die der Röntgenstrahl durchdringen muss noch bevor er überhaupt auf das eigentlich zu untersuchende Produkt trifft. Ein Röntgengerät, das eine Verunreinigung finden soll, muss also die große Dicke der Verpackung durchdringen und dennoch die dahinterliegende Verunreinigung erkennen können.
CASSEL Inspection setzt dafür sog. High Power-Strahler ein, die die notwendige Leistung aufbringen, um den Glasbehälter zu durchdringen und für einen guten Kontrast zwischen Produkt und Fremdkörper zu sorgen.
Gewölbte Böden von Glasbehältern
Zum anderen ist der Boden von Glasgehältern meist recht dick und häufig nach innen gewölbt. Verunreinigungen, die nach unten sinken, sammeln sich daher oft am Rand des Flaschenbodens. Genau dort ist die Dicke der Verpackung jedoch am höchsten. Dies kann zu “blinden Flecken” (nicht inspizierten Bereichen) führen.
Die Abbildungen rechts zeigen dies: Sind die Verunreinigungen höher als die Wölbung des Bodens, können diese erkannt werden. Sind sie jedoch niedriger, können sie sich hinter der Wölbung “verstecken”, wenn nur ein Röntgenstrahler eingesetzt wird.
Ähnlich wie bei einer ungünstigen Orientierung der Verunreinigung im Produkt wird die Detektionsleistung der Röntgeninspektion durch den Einsatz eines zweiten Röntgenstrahlers verbessert.
In diesem Fall erzeugt das Röntgengerät zwei Bilder aus zwei verschiedenen Perspektiven. Verunreinigungen, die auf einem Bild hinter der Wölbung liegen, sind auf dem anderen neben der Wölbung zu sehen.
Glas in Glas finden – die hohe Schule der Röntgeninspektion
Das Röntgengerät macht, wie bereits erläutert, unterschiedliche Dichten verschiedener Stoffe sichtbar. Zudem muss es alle „Ecken“ des untersuchten Produktes gut ausleuchten können, da sich ein Glassplitter im Röntgenbild ja auch an der Wandung oder hinter dem Boden „verstecken“ kann. Genau darin liegt die Schwierigkeit beim Auffinden von Glassplittern in Glasbehältern: Glassplitter haben dieselbe Dichte wie das Glas der Verpackung, gleichzeitig sammeln sie sich besonders oft am Boden, wo die Inspektion besonders schwierig ist. Wie erkennt das Röntgengerät nun diesen Splitter?
Zunächst benötigt man Röntgenbilder aus verschiedenen Perspektiven, damit sich kein Splitter verstecken kann. Als nächstes kommt die Software eines guten Röngenscanners ins Spiel, zusammen mit einigen Voraussetzungen.
Ein Glasbruchstück hat in der Regel eine höhere Dichte als das untersuchte Produkt, z.B. ein Getränk. Es schwächt also die Röntgenstrahlung stärker ab als das Produkt dies tut (mehr Absorption).
Das Glasbruchstück im Produkt verdrängt außerdem an dieser Stelle das Produkt. Es wird also lokal das Produkt mit geringer Absorption durch ein Glasbruchstück mit höherer Absorption ersetzt. Diese Absorptionsdifferenz zwischen Produkt und Glasbruchstück wird als zusätzliche Schwärzung im Bild sichtbar.
Diese meist sehr schwache, zusätzliche Schwärzung muss das Röntgengerät erkennen können.
Die Software muss also diese dunklere Graufärbung im Bild (Glasbruchstück) zuverlässig „erkennbar machen“, um sie von anderen, dunklen Graufärbungen (Flaschenkontur, Verschluss etc.) zu unterscheiden.
Dafür stehen verschiedene Masken- und Filterfunktionen zur Verfügung. Die wichtigsten sind die sog. Filter zur Kontrastverstärkung und die sog. Maskierungsfunktionen.
Die Kontrastverstärkung lässt unscharfe Kanten im Röntgenbild besser hervortreten. So lassen sich „Schatten“ leichter von ihrer Umgebung abgrenzen und können als mögliche Fremdkörper identifiziert werden – wenn ihre Form nicht zum Produkt samt Verpackung „passt“.
Damit die Software erkennen kann, was zum Produkt gehört und was nicht, stehen verschiedene sog. Masken zur Verfügung. Sie markieren, welche Formen im Bild typischerweise zur Verpackung gehören – so kann die Software sie als „ungefährlich“ herausfiltern.
Diese Filter müssen hochflexibel sein, damit sie Formen auch aus verschiedenen Winkeln zu unterschiedlichen Lichtverhältnissen noch immer sicher korrekt verarbeiten können.
Die CASSEL XRAY SHARKs arbeiten mit über 40 verschiedenen Algorithmen, die diese Filter und Masken hochflexibel machen – für verschiedenste Winkel und Ausleuchtungsverhältnisse. Mit dieser Ausstattung an Funktionen ist die Detektion von Glassplittern auch unter schwierigen Bedingungen, z.B. in Glasbehältern möglich.
Die fachliche Expertise für diesen Artikel stammt von Dr. Lars Raue
Lars schrieb seine Promotion in der Abteilung Mikrostrukturphysik & Umformtechnik des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf und promovierte an der RTW Aachen. Anschließend arbeitete er auf dem Gebiet der Materialwissenschaften am Kristallographischen Institut des Geowissenschaftlichen Zentrums der Universität Göttingen sowie für die Universitätsmedizin Göttingen. Hier sammelte er umfangreiche Erfahrungen in der Röntgentechnik, z.B. durch hochdruckradiographische Untersuchungen zur Polymorphie von Arzneimitteln, Planung, Bau und Inbetriebnahme von Röntgendiffraktometern und verschiedenen Experimenten an allen großen deutschen Synchrotronanlagen. Seit 2016 entwickelt Lars industrielle Röntgenanwendungen für CASSEL Inspection.